Auf dem Broadway

Heute began für Jacky der Ernst des Lebens. Quasi. Sie würde heute an ahnungslosen, reichen Opfern üben. Und ich traute es ihr auf jeden Fall zu, dass sie es schaffte. Und wenn nicht, müsste ich ihr noch beibringen müssen wie man schnell und sicher untertauchen konnte. Aber erst mal musste ich wissen, wie sie sich am echten Opfer verhielt. Ich drehte mich zu ihr um und grinste sie an. "Sooo da wären wir"

Gott. Wie lange war es bereits her, dass ich nicht mehr so wirklich in New York unterwegs war? Ich hielt mich lieber irgendwo auf, wo es weniger Menschenaufläufe gab. Dem zu Folge war ich das Getümmel am Broadway gar nicht mehr gewöhnt. Ich atmete tief durch und sah schließlich zu Gambit auf. "Sieht ganz danach aus." Antwortete ich, auch wenn ich genau wusste, dass ich meine sarkastischen Scherze wohl lieber lassen sollte. Aber was sollte ich machen? Das war nun mal ich und diese Art gehörte zu mir wie ein Reifen ans Auto gehörte. "Und jetzt?" Fragte ich ihn und legte den Kopf leicht schief.

"Jetzt..." ich zog mir meinen Hut etwas tiefer ins Gesicht damit meine Augen im Schatten lagen und sah Jacky an. "So pass auf. Heute werden wir erst mal dein Können testen. Mach dir keine Sorgen. Sollte etwas schief gehen, hol ich dich da raus. Traust du dir das zu oder soll ich dir nochmal zeigen, wie es funktioniert?"

Ich verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn an als wäre das ein schlechter Scherz. Dann sah ich mich auf dem Broadway um und entdeckte nach nicht ganz einer Minute einen Mann mittleren Alters, der nicht gerade aussah, als wäre er auf Sozialhilfe angewiesen. Ich steuerte auf ihn zu und als ich in seine Nähe kam, sah ich mich um als würde ich nach einer Freundin ausschau halten, die ich in der Menge verloren hatte. Rein aus Versehn natürlich rempelte ich den Mann an und fischte dabei unauffällig sein Portmonee aus seiner Hosentasche. Als hätte ich mich ziemlich erschrocken drehte ich mich zu ihm um, so dass er vor allem schon mal nicht sehen konnte, dass ich bereits in Besitz seines Portmonees war, und versteckte es unter meiner Jacke, um keine Blicke von neugierigen Beobachtern auf mich zu ziehen. "Verzeihung. Ich hab sie nicht gesehn." Entschuldigte ich mich bei ihm und setzte einen Blick auf, als täte es mir wirklich aufrichtig leid. Als er kopfschüttelnd weiter ging, ging auch ich weiter meines Weges und achtete darauf, dass keiner Verdacht schöpfte. Nach ein paar Metern bahnte ich mir meinen Weg durch die Massen zurück, stellte mich an Gambits Seite und reichte ihm das Portmonee, als wäre all das ein Klacks und das Einfachste auf Erden gewesen.

Ich beobachtete sie mit einem gewissen väterlichen Stolz und musste lächeln. Sie machte es so gut, als wäre sie schon seit Jahrzenten in dem Geschäft dabei. Natürlich beobachtete ich genau die umstehenden Leute, ob sie Verdacht schöpften. Aber zu meiner Verwunderung war dem nicht so. Ich strahlte Jacky an als sie zu mir zurückkam. "Das war..unerwartet. Du bist wirklich ein Naturtalent" lobte ich sie und legte einen Arm um sie, bevor ich in die Brieftasche sah. "Du hast nen richtig dicken Fisch an Land gezogen" gab ich zu und grinste, dann gab ich ihr das Geld.

Ein glückliches Lächeln breitete sich auf meinen Lippen aus, und ich ertappte mich dabei, wie ich Gambits Züge eingehend musterte, während er seinen Arm für einen Moment um meine Schultern legte und sich dann den Inhalt des Brieftasche ansah. Ein schiefes Grinsen zuckte kurz über mein Gesicht, als ich das Geld entgegen nahm und in meiner hinteren Hosentasche verstaute. "Herzlichen Dank." Sagte ich und nickte anerkennend. Es war doch wirklich mehr als schön, so etwas ausgerechnet von Gambit zu hören. Wofür machte ich mir länger etwas vor? Es war längst zu spät um sich seinem Schicksal zu entwinden. Auch wenn ich dabei höchstwahrscheinlich mal wieder ziemlich auf die Schnauze fallen würde. "Bitte schön, Monsieur." Sagte ich. "It's your turn." Immerhin wollte ich ja auch wissen, wie er das Ganze anstellte. Verbessern konnte man sich immer und insbesondere, wenn man dem Meister persönlich bei der Arbeit zusah. Aber im Ernst. Schwer war etwas anderes. Eine riesige Menschenmasse. Alle hektisch. Was wollte man mehr? Man musste nur wissen, bei wem man davon ausgehen konnte, dass er viel Bares mit sich herum schleppte. Die Schnelligkeit und Geschicklichkeit hatte mir ja mein Großvater zum Glück seit meinem fünften Lebensjahr beigebracht und vertieft. Vielleicht sollte ich ihm dafür danken, anstatt ihn umzubringen wie es ursprünglich mein Plan gewesen war.

"Je vous en remercie, Chérie" Ich grinste, zog meinen Hut vor ihr, setzte ihn wieder auf und schlenderte los. Plötzlich wurde ich ganz hektisch, hetzte durch die Menschenmasse, rempelte mehrere Menschen an und sah mich suchend um. "Amber??? Amber? Amber wo bist du!" rief ich verzweifelt, und rempelte noch zwei Männer an. Dann wandte ich mich an eine Frau mittleren Alters. "Haben sie meine Tochter gesehen? Braune Augen, braune Haare? " fragte ich sie besorgt, und sie schüttelte den Kopf. In dem Moment entdeckte ich meine "Tochter" und lief auf Jacky zu. Glücklich hob ich sie hoch und drückte sie an mich. "Ich hab dir doch gesagt du sollst nicht weglaufen" belehrte ich und zwinkerte ihr dann zu. Als meine Opfer sich verzogen hatten, präsentierte ich Jacky meine Beute.

Uh, es spricht. Und dann auch noch auf Französisch. Dachte ich mir und grinste schief. Sichtlich angetan. Doch die Verwunderung war groß, als er auf einmal anfing, nach irgendwem zu suchen. Es dauerte eine Weile, bis ich verstand, was er vor hatte. Doch als ich es begriffen hatte, hatte ich Probleme damit, nicht zu lachen. So viel älter war er nun auch wieder nicht. Kurze Zeit später kam er auf mit zu gerannt, hob mich hoch und drückte mich an sich. Mein Herz schien für einen Schlag auszusetzen und schlug mit doppelter Geschwindigkeit weiter, als er mich wieder absetzte. "Tut mir leid. Wird nie wieder vorkommen." Spielte ich einfach mit und versuchte mich zu schämen anstatt zu lachen. Als sämtliche Leute, die Gambit zum Opfer geworden waren, sich abgewandt hatten und weiter ihres Weges gingen, verschränkte ich die Arme vor der Brust, betrachtete seine Ausbeute und musste Grinsen. "Ich bin beeindruckt." Sagte ich und tat so, als hätte ich nicht damit gerechnet. "Amber? Seh ich aus wie eine Amber?" Fragte ich ihn dann und lachte.

Ich lachte und nickte. "Jaa... Amber war der erste Name der mir einfiel. Denk nicht dass ich so dumm bin und deinen echten Namen über den ganze Broadway brülle" sagte ich und wedelte mit dem Finger vor ihrer Nase rum, bevor ich die Beute checkte. "Uh, heute Abend gibts Schampus" stellte ich fest und steckte mir die Geldscheine in die Tasche. "Find ich super... so, und jetzt?" fragte ich sie und sah sie an. "Vorschläge?"

"DAS ... hab ich nie behauptet." Stellte ich erst mal klar und klang beleidigt. Also echt mal. Unterstellte er mir solche Naivität? Na herzlichen Dank. So etwas steigerte mein Selbstwertgefühl ja auch immens. Vorschläge? Na und ob ich Vorschläge hab. Aber von denen hältst du sicher wenig. Dachte ich mir und grinste schief. Ein kleiner Anschwall von Angst machte sich bemerkbar, als mir durch den Kopf schoss, dass man meine Gedankengänge vielleicht wie so oft an meinen Augen ablesen konnte. Also schüttelte ich nur den Kopf und sah weg, um seinem Blick nicht noch einmal zu begegnen. "Mir ganz egal. Der Meister gibt die Befehle. Ich folge nur." Antwortete ich.

Ich überlegte kurz. "Dann ...entscheide ich dass du was entscheidest. " schlug ich vor und musste lachen. Immerhin musste sie ja auch was Selbständigkeit lernen. Ich konnte ja nicht immer dabei sein und ihr sagen was zu tun war. Immerhin hatte ich noch einen großen Job, zu dem ich sie mitnehmen wollte.

Leicht genervt pustete ich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Das war ja fast wie damals im Kindergarten. "Gut. Wenns denn sein muss." Sagte ich und sah ihn nun doch wieder an. Umgehen konnte ich es ja doch nicht. Jedenfalls nicht auf Dauer. "Lust auf was zu futtern?" Fragte ich ihn, legte den Kopf schief und grinste. Es war schwer für mich, zu ignorieren, wie heiß ich Gambit eigentlich fand. Wenn man es sich erst einmal eingestanden hatte, ging das viel weniger leicht. Dann musste ich es eben lernen. Beschloss ich und schluckte. Das Leben konnte so verdammt fies sein. So fies war noch nicht einmal ich.

Ich nickte begeistert und liess das restliche Geld verschwinden. "Okay. Worauf hast du denn Hunger?" fragte ich sie und sah ihr in die Augen. Sie war so wunderschön, aber hier auf der Strasse konnte ich das nicht bringen, sie einfach zu küssen, oder zumindest ihre Hand in meine zu nehmen.

Gute Frage. Nächste Frage. Es gab natürlich etwas, auf das ich hunger hatte, aber das behielt ich lieber für mich. Schon allein weil die Wirkung des Alkohols vom Vorabend längst nachgelassen haben musste und ich mir fast sicher war, dass allein die Cocktails für das Handeln des Franzosen verantwortlich waren. "Keine Ahnung." Sagte ich und zuckte mit den Schultern. "Wie wärs mit Chinesisch?" Nahm ich einfach das Nächstbeste, das mir in den Sinn kam. Doch wenn ich so darüber nach dachte, war es eigentlich gar keine so schlechte Idee. Je mehr ich es mir überlegte, desto mehr Appetit bekam ich auch auf gebratene Nudeln. Ich sollte sowieso langsam mal wieder anfangen, mehr zu essen. Ich und meine schnell mal zwischendurch hinunter geschlungenen Miniaturspeisen. So konnte das ja schließlich nicht ewig weiter gehn.

"Ja, gute Idee. Wollen wir?" Ich bot ihr ganz Gentlemanlike meinen Arm an und grinste sie an. Die Idee mit chinesisch fand ich richtig genial, ich mochte das ganze Zeug was es beim Chinesen gab. Und jetzt bekam auch ich schon eine Menge Hunger.

Ich nickte und hackte mich lächelnd bei ihm ein. Allein das reichte schon aus, um mir ein kribbeln mit nachfolgender Gänsehaut über die Arme zu jagen. Ich war sowas von froh, den langweiligen Schüleralltag endlich etwas aufpeppen zu können, indem ich mich bei der Gilde - und vor allem bei Gambit - aufhielt. Jetzt war wenigstens die Gefahr weniger groß, vor Langeweile zu sterben.

Ich ging mit ihr möglichst würdevoll über den Broadway, bis wir ein chinesisches Restaurant erreichten. Ich öffnete die Türe für sie und folgte ihr dann in den Eingangsbereich. Ich suchte uns einen Tisch und setzte mich hin.

All zu lange dauerte es nicht, bis wir an einem chinesischen Restaurant ankamen. Doch diese kurze Zeit hatte gereicht, dass ich an die millionen Mal zu ihm hinüber geschielt hatte. Dicht gefolgt von Gambit trat ich durch die Tür und schlenderte ihm hinterher zu einem freien Tisch. Ihm gegenüber ließ ich mich auf den Stuhl fallen und lächelte. "Und jetzt? Was darfs sein?" Fragte ich ihn und lehnte mich zurück um ihn besser mustern zu können. Ich kam mir langsam vor wie ein Stalker. Aber das machte nichts.

Ich studierte kurz die Karte und zuckte dann mit den Schultern. "Entscheid du das, ich mag alles hier. " Ich würde Jacky noch fit machen müssen, sie war für R. ´s Pläne eine große Bereicherung. Für den Plan müsste sie aber noch einiges Lernen. Die kleinen Sachen lagen ihr, aber wie sah es mit großen Sachen aus?

Ich ließ meinen Kopf auf meine Arme fallen, die verschränkt auf dem Tisch lagen. Dann atmete ich tief ein und wieder aus. Beabsichtigt so laut, dass es auch für Gambit hörbar war. Dann hob ich den Kopf ein Stück und sah ihn mit leicht genervtem Blick an. "Meinetwegen. Nehm ich eben gebratene Nudeln." Antwortete ich und nahm keine Rücksicht darauf, den schlecht gelaunt klingenden Unterton in meiner Stimme zu verbergen. Wenn man nicht alles selbst machte. Zu dumm nur, dass ich ihm sowieso nichts krumm nehmen konnte.

"Gut dann tu ich das auch. Garcon?!" Ein Kellner kam und ich grinste ihn an. "Zweimal gebratene Nudeln für die hübsche Dame und mich. " Der Typ schrieb es sich affektiert auf und sah zu Jacky. "Was trinkt die Dame?"

"Kommt ganz drauf an, welche Dame du meinst." Antwortete ich, lehnte mich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Seit wann konnte man mich als Dame bezeichnen? Ich war wohl eher das komplette Gegenteil. "Keine Ahnung, ob du weißt, was Masala Chai Tee ist, aber wenn du mir das jetzt auch nachbestellst und es dir dann nicht schmeckt, bist du selbst schuld." Sagte ich frech wie Oskar und sagte dem Kellner meine Bestellung. Es war zwar ein ursprünglich aus Indien stammendes Getränk, aber wie in allen asiatischen Restaurants, war ich mir ziemlich sicher, dass es auch die Japse und Chinesen verstanden.

Ich bestellte mir ein Bier und der Kellner haute ab. Grinsend sah ich Jacky an."Du hast aber schon ne große Klappe, oder?". Lachend schüttelte ich den Kopf und sah sie an. Es war echt schön mit ihr unterwegs zu sein. Ich mochte sie mittlerweile schon richtig gerne.

"Nö." Sagte ich wie aus der Pistole geschossen und schüttelte einmal kurz den Kopf. Mal abgesehen davon, dass bei mir der Spruch 'Große Klappe, nichts dahinter.' sowas von gar nicht zu traf. Denn bei mir steckte ziemlich viel dahinter. Wer keine Ahnung vom Kämpfen hatte, beispielsweise, sollte lieber keine große Klappe riskieren. Doch ich wusste, dass ich nicht gerade zu den schlechteren gehörte und sah deshalb auch keinen Grund, wieso ich mich wie ein graues Mäuschen versteckt halten sollte.

Ich musste wieder lachen und bediente mich an einer Brotscheibe. "Das mag ich irgendwie an dir, weisst du" gab ich zu und grinste sie an.